Manchmal auch mit Blaulicht im Einsatz
Für „Rund um vlexx“ haben wir Nicolas bei seiner einwöchigen Bereitschaft im Notdienst begleitet. Der Leiter für Triebfahrzeugführer:innen ist auch Teil des neunköpfigen Notdienst-Teams bei vlexx.
Am Dienstagmorgen klingelt das Notdiensthandy und Nicolas bekommt einen Anruf aus der vlexx-Leitstelle. Ein Reisezug ist auf freier Strecke liegengeblieben. Wegen starkem Wind ist ein Baum auf die Schienen gefallen und versperrt den Weg. Nicolas ist nun dafür verantwortlich, die Lage einzuschätzen und zu entscheiden, wie es weitergeht.
„Wenn ich solch eine Meldung aus der Leitstelle erhalte, rufe ich als erstes das Fahrpersonal im Zug an, um eine Beschreibung der Situation aus erster Hand zu bekommen“, sagt Nicolas, während er bereits sein digitales Telefonbuch nach der richtigen Nummer durchsucht. Schnell wird klar, dass der Baum zu groß ist, um ihn selbst zu räumen, und die Unterstützung der Feuerwehr benötigt wird. Damit ist auch für ihn klar, dass er selbst zum Einsatzort fährt, damit er gemeinsam mit den unterstützenden Einsatzkräften das beste Vorgehen besprechen kann. Während die meisten Menschen am Freitagnachmittag ins Wochenende gestartet sind, hat für Nicolas der einwöchige Notdienst begonnen. Zusammen mit zehn Kolleg:innen teilt sich der 40-jährige diese Aufgabe. Jeden Freitag werden dann das Notdiensthandy und die Schlüssel für das Notfallfahrzeug weitergegeben. Für die nächsten sieben Tage ist er nun rund um die Uhr in Bereitschaft, um im Falle eines Notfalls im Zugbetrieb schnell zu unterstützen. Ob beim Einkaufen, Sport oder beim Besuch der Schwiegereltern: das Handy und das Auto sind immer dabei, um ja keine Zeit zu verlieren, falls ein Anruf kommt. „In der Regel verläuft der Notdienst die meiste Zeit ruhig, deshalb können wir die Bereitschaft relativ frei gestalten, solange wir gewährleisten, innerhalb von zwei Stunden an jedem denkbaren Einsatzort im vlexx-Netz zu sein“, erklärt Nicolas.
Der Weg zum Einsatz
An diesem Dienstag muss Nicolas nach Eingang des Notfalls zunächst einen geeigneten Zugang zu dem Zug finden, bevor er sich mit dem Notfallfahrzeug auf den Weg machen kann. „Ich weiß zwar die exakten Koordinaten des Zuges aber mit einem gewöhnlichen Auto-Navi komme ich da nicht so weit“, erklärt er. „Deshalb arbeiten wir mit einem Navigationssystem speziell für den Eisenbahnverkehr.“ Die Fahrzeit nutzt Nicolas, um sich ein besseres Bild von der Lage zu verschaffen. Dazu tauscht er sich mit dem Notfallmanager von DB InfraGo AG aus. Dieser ist ebenfalls unterwegs zum Einsatzort und auch die Feuerwehr wurde bereits verständigt. Wer im Notdienst bei vlexx tätig sein will, muss zunächst viele Regeln lernen. Dazu nehmen alle Neuzugänge vor ihrem ersten eigenen Einsatz an einer Grundschulung teil und begleiten darüber hinaus die erfahrenen Kolleg:innen für eine gewisse Zeit, um ihr theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen zu erweitern. In der Schulung vermittelt vlexx zum einen die rechtlichen Bestimmungen und definiert die verschiedenen Begrifflichkeiten: Worin unterscheidet sich zum Beispiel ein „Unfall“ von einer „Kollision“? Zum anderen werden das Notfallfahrzeug und seine Ausrüstung genau erklärt: Wie wird am besten eine mögliche Umweltverschmutzung verhindert, wenn Flüssigkeit aus dem Zug tropft, oder in welchen Situationen darf das Blaulicht verwendet werden, das tatsächlich ebenfalls zur Ausstattung gehört. Teil der Schulung ist außerdem die richtige Kommunikation mit Betroffenen, wie etwa dem Zugpersonal oder Fahrgästen, aber auch den Behörden und Akteuren vor Ort, wie Polizei, Feuerwehr, Rettungssanitätern oder dem Notfallmanager von DB InfraGo AG.
Sägen oder Evakuieren?
Am Zug angekommen, haben Zugpersonal und Fahrgäste für den vlexx-Notdienst oberste Priorität. Nicolas’ Aufgabe ist es, sie so sicher und schnell wie möglich aus der Situation herauszuholen. Schon in den ersten Gesprächen mit dem Zugpersonal und dem bereits eingetroffenen DB-Notfallmanager ist das Näherkommen der Feuerwehrsirenen zu hören. Als alle Einsatzkräfte komplett sind, beginnt die Abstimmung über das weitere Vorgehen. Der ursprüngliche Plan war, den Baum von den Schienen zu schaffen, damit der Zug die Fahrt fortsetzen kann. Das ist aber keine Option mehr, weil wegen des starken Windes der Zugverkehr auf der Strecke für unbestimmte Zeit komplett eingestellt wurde, damit nicht noch andere Züge auf freier Strecke liegenbleiben. Schnell sind sich alle einig: Der Zug muss evakuiert werden.
Feuerwehr packt mit an
Während die Feuerwehr einen Weg durch das Gebüsch zwischen den Schienen und der Straße frei macht, kümmert sich Nicolas darum, wie es für die Fahrgäste von dort weitergeht. „Ich habe gerade mit unserer Leitstelle telefoniert und drei Großraumtaxis bestellt“, sagt Nicolas. „Die Anzahl der Fahrgäste ist nicht so hoch, dass wir einen Bus benötigen. Die Wartezeit ist dadurch deutlich geringer.“ Als nächstes wird die Evakuierung des Zugs vorbereitet. Denn besonders für bewegungseingeschränktere Menschen ist es nicht so leicht, das Fahrzeug ohne Bahnsteig zu verlassen, weil sich die Türen etwa 80 Zentimeter über dem Boden befinden. Mit Leitern unterstützen die Einsatzkräfte der Feuerwehr jeden Fahrgast beim Ausstieg, bevor sie die Gruppe zur Sammelstelle an der Straße lotsen. Nachdem alle Fahrgäste in den Taxis ihre Fahrt fortsetzen können, bringt Nicolas auch das Fahrpersonal nach Hause. Damit ist der Einsatz für ihn beendet. Sobald klar sein wird, wann die Strecke wieder freigegeben ist, übernimmt die nächste Schicht die Aufgabe, den zurückgebliebenen Zug in den nächsten Bahnhof zu bringen.
Zurück im Büro, ist Nicolas’ erste Handlung das Notdiensthandy ans Ladekabel zu stecken, damit seine Ausrüstung für den nächsten Einsatz vorbereitet ist. „Dabei habe ich natürlich die Hoffnung, dass der nächste Einsatz möglichst lange auf sich warten lässt“, sagt er mit einem Schmunzeln.