Lokführer aus Rheinhessen wird zum „Eisenbahnpoeten“

Bei diesen Durchsagen werden genervte Blicke auch mal zu Applaus: Der rheinhessische Lokführer Andreas Frank kommuniziert mit seinen Fahrgästen am liebsten in Reimform. Der "Eisenbahnpoet" im Gespräch mit der lokalen Online-Redaktion Merkurist.

Artikel von Autorin Veronika Dyks, Merkurist Mainz

Der "Eisenbahnpoet" Andreas Frank

Ob Verspätung, schlechtes Wetter oder einfach nur eine nette Begrüßung für seine Fahrgäste: Der rheinhessische Lokführer Andreas Frank hat für jede Situation den passenden Spruch parat. Die meisten dürften ihn besser unter dem Namen „Eisenbahnpoet“ kennen – denn seine Durchsagen gestaltet der Rheinhesse am liebsten in Reimform.

Seit 33 Jahren in Rheinhessen

Auch außerhalb der Fahrerkabine dichtet der Eisenbahnpoet gerne. Ins Merkurist-Gespräch steigt der 49-Jährige direkt mit diesen Versen ein:

„Für den Eisenbahnpoet fing alles zu Fastnacht an: Da wollte ich einfach mal probieren, für die Fahrgäste ein wenig mit den Wörtern zu jonglieren. Das kam gut an, ich machte weiter, die Stimmung im Zug davon meistens heiter.“

Der ostdeutsche Dialekt des Eisenbahnpoeten ist dabei nicht zu überhören. „Das hoffe ich doch!“, sagt Andreas Frank dazu. „Das sind ja meine Wurzeln.“ Zwar wohnt er schon seit 33 Jahren in Rheinhessen, aufgewachsen ist er jedoch in Thüringen. Der zuvor Selbstständige entschied sich vor sechs Jahren, den Beruf zu wechseln, und machte beim Mainzer Zugunternehmen vlexx eine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer.

Vom Fastnachtsgag zum Eisenbahnpoeten

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In seinem neuen Beruf fühle sich Frank sehr wohl – und hat es schließlich sogar geschafft, eines seiner Hobbys damit zu verknüpfen. „Ich komme aus der Gegend der Dichter- und Denkerstadt Weimar“, erklärt er und lacht. „Ich bin geprägt.“ Im Februar 2024 habe er zum ersten Mal eine Durchsage in Reimform eingesprochen – und das ganz spontan. „Zu Fasching habe ich einfach mal ein paar lockere Sprüche gemacht.“ Eine Aufnahme der Aktion gebe es aber leider nicht. „Da wusste ich ja auch noch nicht, was daraus wird.“

Denn was eigentlich nur ein Gag sein sollte, hat bei den Leuten im Zug offenbar bleibenden Eindruck hinterlassen. „Da kam schon eine gewisse Resonanz von hinten“, sagt Frank. „Ich habe erstmal gedacht, das ist bestimmt die Feierzeit.“ Doch dann seien immer mehr Menschen auf ihn zugekommen und hätten ihn darauf angesprochen. Deshalb habe er angefangen, die Gedichte auch im normalen Fahrbetrieb einzubringen. „Und da kam teilweise tatsächlich Beifall aus dem Zug!“

Passende Reime für jede Situation

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Nicht nur Reisende, auch viele Kollegen seien von den Reimen begeistert gewesen – nicht zuletzt wegen der Wirkung auf die Fahrgäste. „Fahrgastbetreuer sagen mir, die Leute sind gechillter“, sagt Andreas Frank. „Ich selbst habe auch gemerkt, dass der Stresspegel ein bisschen weiter runter geht. Von daher wurde aus der kleinen Idee eine größere und so kam ein Spruch zum anderen.“

Inzwischen reimt der Eisenbahnpoet auf jeder seiner Fahrten – wenn auch nicht bei jedem Halt. In der Regel mache er seine poetischen Durchsagen beim Start und Ende einer Fahrt, außerdem habe er passende Sprüche zu bestimmten Themen. „Also zum Beispiel, wenn die Strecke voll ist, oder wenn in Alzey die Fahrzeuge getrennt werden“, erklärt Frank. „Dann sage ich: ‘Da werden wir die Fahrzeuge trennen, das dürfen Sie jetzt nicht verpennen!’“ Einen weiteren Klassiker hat der Eisenbahnpoet extra für Merkurist noch einmal eingesprochen:

Der Eisenbahnpoet macht eine Durchsage.

Eisenbahnpoet auch im Fernsehen

Auch das Fernsehen ist auf den Eisenbahnpoeten aufmerksam geworden und hat ihn begleitet.

Der Beitrag ist im Video zu sehen:



Etwa zehn solcher Gedichte hat Andreas Frank im Repertoire. „Die sind aber alle auch schon mal abgewandelt, sonst wird’s ja langweilig.“ Improvisierte Gedichte seien ebenfalls immer mal wieder dabei. Einen seiner Lieblingsreime habe er sich spontan ausgedacht, als es gerade regnete: „Ihr lieben Fahrgäste, wenn ich rausschau, werd’ ich blass. Von oben kommt es runter, und zwar ganz schön nass. Ich hoffe, ihr habt alle ein Schirmchen unterm Ärmchen!“

Begeisterte Reaktionen von Fahrgästen

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Was er an seiner Rolle als Eisenbahnpoet besonders liebe, seien die Reaktionen der Fahrgäste. Einige Reisende seien nach der Fahrt zu ihm ans Fenster gekommen und hätten sich bedankt, andere würden sogar mit eigenen Gedichten antworten. An den Reim eines Fahrgastes aus Saulheim erinnert sich Frank immer noch: „Die Uhr schon auf halb elf gedreht, einen schönen Abend auch dem Eisenbahnpoet!“

In den sozialen Medien hat Andreas Frank ebenfalls einige Fans. Mehrere Hundert Nutzer folgen seinem Account @eisenbahnpoet auf Instagram und TikTok, immer wieder sind dort begeisterte Reaktionen zu sehen: „Ich war dabei und du hast es versüßt“, schreibt ein Fahrgast auf TikTok. „Eben in der vlexx zum 1. Mal in den Genuss eines Gedichts gekommen und musste auch schmunzeln, vielen Dank!“, kommentiert eine Nutzerin auf Instagram.

Zukunft auf der Fastnachtsbühne?

Den Eisenbahnpoeten auf einer Zugfahrt selbst zu erleben, ist im vlexx-Zug von Frankfurt nach Saarbrücken am wahrscheinlichsten. Diese Strecke fahre er nämlich öfter, verrät Frank. Meistens sei er nachmittags und abends dort unterwegs. Noch lieber fahre er allerdings die Verbindung von Frankfurt nach Koblenz. „Die geht direkt am Rhein entlang“, sagt er. „Das ist da vorne im Führerstand noch einmal etwas ganz anderes als im Fahrgastraum.“

Und wer weiß – vielleicht ist Andreas Frank irgendwann nicht nur im Zug und auf Social Media zu sehen, sondern auch auf Mainzer Fastnachtsbühnen. „Darauf haben mich schon Verschiedene angesprochen“, meint er lachend, wenn man ihn danach fragt. Ob er tatsächlich einmal in die Bütt steigen will, da ist er sich noch nicht so sicher. Doch immerhin das Kostüm steht schon fest: „Wenn, dann nur als Eisenbahnpoet.“

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