Leiter Aus- und Fortbildung Stefan
vlexx bildet jedes Jahr in mehreren Qualifikationskursen Triebfahrzeugführer:innen und Fahrgastbetreuer:innen selbst aus und ermöglicht Menschen jeden Alters einen Quereinstieg in eine zukunftssichere Branche.Zu Besuch in der Fachkräfteschmiede
Im Schulungsraum von vlexx auf dem Betriebsgelände in Mainz ist es an diesem Morgen ungewöhnlich ruhig, nur das eifrige Schreiben von mehr als einem Dutzend Stiften und gelegentlich etwas Papiergeraschel brechen die konzentrierte Stille. 15 Qualifikant:innen zur Triebfahrzeugführer:in sind mitten in ihrer theoretischen Prüfung. Nicht weniger angespannt sitzt Stefan an seinem Pult ganz vorne im Raum, denn selbst für ihn als Prüfer sind solche Termine etwas Besonderes: „Natürlich fiebere ich mit den Kursteilnehmenden mit, ich habe ja alle in den letzten Monaten intensiv kennengelernt“, erklärt der 34-jährige Leiter für Aus- und Fortbildung bei vlexx.
Er selbst kann sich gut in die Prüflinge hineinversetzen, denn 2013 hat auch er mit der Qualifikation zum Triebfahrzeugführer bei vlexx begonnen. Die Aussicht auf einen zukunftssichereren Beruf motivierte ihn, seinen Job als Bürokaufmann aufzugeben und etwas ganz Neues zu lernen.
Bevor die Anwärter:innen den 2.100 PS starken Zug erstmals selbst fahren, wartet zunächst die theoretische Ausbildung. In etwa fünf Monaten lernen die Qualifikant:innen alles Wichtige über den Bahnbetrieb, Signale und Fahrzeugtechnik. „Diese Phase ist sehr anspruchsvoll, weil man in kurzer Zeit sehr viel Wissen vermittelt bekommt. Aber weil der Job eine große Verantwortung mit sich bringt, ist dies eine wichtige Grundlage“, so Stefan. In begleitenden Simulatortrainings und bei Schnupperfahrten wird das neu erlernte Wissen direkt vertieft und mit realen Situationen verknüpft. Danach geht es an den Hebel: In der dreimonatigen Praxisphase wird die Ausbildung vollendet.
Für Stefan ist es nach der Qualifikation nicht beim Zugfahren geblieben; 2015 hat er als Praxisausbilder für Triebfahrzeugführer:innen selbst begonnen, seine Erfahrungen an Qualifikant:innen weiterzugeben. „In dieser Zusatzfunktion habe ich die praktische Ausbildung von angehenden Triebfahrzeugführer:innen quasi wie ein Fahrlehrer begleitet“, so Stefan. Bei vlexx gibt es etwa 15 Praxisausbilder:innen. Damit stellt das Eisenbahnverkehrsunternehmen sicher, dass jede Teilnehmer:in des Qualifizierungskurses eine direkte Bezugsperson erhält und das Fahrtraining individuell angepasst werden kann. 2018 erweiterte Stefan sein Tätigkeitsfeld erneut und übernahm die Rolle als Aus- und Fortbilder für den Bereich Triebfahrzeugführer:innen. „Damit durfte ich auch die theoretische Ausbildung und einsatzspezifische Qualifikationen wie etwa für den Ausflugsverkehr nach Frankreich vermitteln – also alle Bereiche, aus denen die Qualifikation zur Triebfahrzeugführer:in besteht“, erläutert Stefan.
Eigene Fachkräfte ausbilden
Seit Juli 2021 leitet Stefan den Bereich Aus- und Fortbildung gesamthaft, denn vlexx bietet nicht nur Qualifikationskurse für Triebfahrzeugführer:innen an, sondern auch eine dreimonatige Qualifikation für Fahrgastbetreuer:innen. „Indem wir selbst ausbilden, versuchen wir dem akuten Fachkräftemangel in der Branche entgegenzuwirken. Fertig ausgebildetes Fahrpersonal ist sehr selten und auch durch den demografischen Wandel werden Fachkräfte zukünftig noch stärker umkämpft“, beschreibt Stefan die Situation. Aktuell laufen drei Kurse mit jeweils circa 15 Teilnehmenden. Jährlich beginnen etwa 60 Menschen eine Qualifikation bei vlexx. Da die Kurse ausschließlich Qualifikationsmaßnahmen sind, ist eine abgeschlossene Berufsausbildung Grundvoraussetzung für die Teilnahme. Die unterschiedliche Motivation der Teilnehmenden findet Stefan jedes Mal interessant: „Für manche geht damit ein Kindheitstraum in Erfüllung, andere suchen nur einen Job, um Geld zu verdienen. Besonders schön ist da dann immer der Moment, in dem diese Teilnehmenden merken, wie viel Spaß der Beruf macht und ebenfalls eine richtige Leidenschaft entwickeln.“
Auch nach erfolgreich bestandener Qualifikation werden Triebfahrzeugführer:innen und Fahrgastbetreuer:innen bei vlexx noch regelmäßig geschult und erhalten die Gelegenheit, sich weiter zu entwickeln. Dazu ist Stefan nach der Prüfung am Vormittag noch im vlexx-Netz unterwegs und unterstützt den ein oder die andere ausgebildete Triebfahrzeugführer:in und Fahrgastbetreuer:in bei einer Begleitfahrt. „Um Fehler zu vermeiden, ist mir wichtig, dass in die Handlungsabläufe nie zu viel Routine einkehrt, denn sobald aus Routine Eintönigkeit wird, neigt man eher dazu, mal unkonzentriert zu sein“, erklärt Stefan. Neben den Begleitfahrten gibt es mindestens einmal im Jahr für alle einen sogenannten regelmäßigen Fortbildungsunterricht. Dort werden spezielle Themenbereiche wie aktuelle Unfallverhütungsvorschriften oder Verhalten bei Unregelmäßigkeiten wie gestörter Signale geschult. vlexx ermöglicht Triebfahrzeugführer:innen zudem, für ein paar Wochen bei einem anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen zu fahren. In dieser besonderen Form der Weiterentwicklung können die Triebfahrzeugführer:innen dann neue Fahrzeugtypen kennenlernen und ihre Streckenkunde erweitern. „Das ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten“, sagt Stefan. „Zum einen helfen wir anderen Verkehrsunternehmen damit, ihren Fachkräftemangel zu decken, zum anderen bieten wir unseren Mitarbeitenden die Chance, neue Erfahrungen zu sammeln.“
Kurz vor Feierabend kann es sich Stefan nicht verkneifen, noch einen Blick in die Prüfungen zu werfen. Mit dem ersten Eindruck scheint er zufrieden zu sein: „Natürlich muss ich mir in den nächsten Tagen die Antworten noch einmal viel genauer anschauen, aber es sieht so aus, als könnten wir unseren Qualifikant:innen bald zur bestandenen Prüfung gratulieren.“